Umm ʿUbeida

archäologische Stätte in der ägyptischen Senke Siwa
Ostwand des Amun-Tempels von Umm 'Ubeida
Umm ʿUbeida · أم عبيدة
GouvernementMaṭrūḥ
Einwohnerzahl
Höhe−25 m
Lagekarte des Gouvernements Matruh in Ägypten
Lagekarte des Gouvernements Matruh in Ägypten
Umm ʿUbeida

Umm Ubeida (auch Umm ʿUbayda, Umm ʿUbaydah, Umm ʿEbeida, Ummebêda, arabisch: ‏أم عبيدة, Umm ʿUbaida) ist eine archäologische Stätte etwa 400 Meter südlich von 1 Aghūrmī bzw. einen knappen Kilometer südöstlich der Stadt Siwa. Hier befindet sich der Amun-Tempel von Umm ʿUbeida, der als Ausgangspunkt des antiken öffentlichen Prozessionsorakels, das zum Amun-Tempel, dem Orakel-Tempel, in Aghūrmī führte, eine wichtige Funktion besaß.

Weitere 900 Meter südlich befindet sich die so genannte Sonnenquelle, auch Kleopatras Bad genannt.

Hintergrund

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Wenn Reisende des ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert die sehr wohl beschwerliche Expedition nach Siwa unternahmen, so hatten sie nur ein Ziel: den von griechischen Historikern beschriebenen Orakeltempel des Jupiter-Amun, in dem Alexander dem Großen die Gottessohnschaft im Jahr 311 v. Chr. zugesprochen wurde – eine wichtige Voraussetzung, um König (Pharao) von Ägypten im Ptah-Tempel zu Memphis werden zu können.

Der wahre Tempel in Aghūrmī war aber bis 1853 unbekannt. So nahm man bis zu diesem Zeitpunkt an, dass dieser leichter zugängliche Tempel der berühmte Orakeltempel sei.

Zum Namen des Ortes

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Die gängigste Bezeichnung ist Umm ʿUbeida. Die Bedeutung ist nicht sicher. Zum einen wurde vorgeschlagen, dass sich der Name von Ummu bayḍāʾ für Kochtopf oder Rastplatz ableiten würde. Bayḍāʾ könnte aber auch die Bezeichnung einer „weißen Sache“ im Sinne des „Urspungsorts des weißen Gesteins“ sein.

Gelegentlich nennt man den Ort auch Umm el-Maʿbad, die Mutter des Tempels. Damit ist die Stelle gemeint, an der es einen Tempel gibt.

Baugeschichte und Widmung

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Lage von Umm ʿUbeida

Der Tempel wurde vom Wenamun (Un-amon), dem Großen Oberhaupt der Wüste, als sein Totentempel wohl zur Zeit Nektanebos’ II. (30. Dynastie) errichtet. Es ist aber auch denkbar, dass die Kartusche Nektanebos’ nur aufgrund einer Tempelerweiterung angebracht wurde.

Amun-Re, dem der Tempel gewidmet ist und der in einem Kiosk sitzend dargestellt wurde, wird beschrieben als „Herr der Ratschläge“ und „großer Gott, der in der Oase weilt“. D.h., nicht nur in Aghūrmī, sondern auch hier wird Amun-Re als Orakelgott verehrt. Geweiht war der Tempel aber dem Amun in seiner widderköpfigen Gestalt, der den Aspekt des Gottes Osiris mit einbezieht, und nicht mit dem Aspekt eines Fruchtbarkeitsgotts wie in Aghūrmī.

Der Tempel wurde aus hiesigem Kalkstein und Alabaster errichtet. Die rein-ägyptische Dekoration wurde von Fachleuten aus dem Niltal vorgenommen.

Es ist denkbar, dass der Tempel von einer dreifachen Mauer umgeben war, innerhalb derer sich die Priesterwohnungen befanden. Caillaud fand 1811 einen rechteckigen Tempel mit einer Länge von 38 m und einer Breite von acht Metern von. Vor Tempel befand sich offenbar ein Portikus (Vorhalle). Im Bereich des Allerheiligsten (Sanktuar) wurden Alabasterblöcke gefunden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befanden sich noch die Deckenblöcke auf dem Tempel.

Das Eingangsportal, das im 18. Jahrhundert noch vorhanden war, ist heute verschwunden. Der Tempel wurde 1811 durch ein Erdbeben zwar in Mitleidenschaft gezogen, blieb aber in weiten Teilen noch erhalten. Rohlfs fand 1869 noch beide Seitenwände der inneren Kapelle vor. 1897 wurde der Tempel durch Sprengung durch den Militärkommandanten Maḥmūd ʿAzmī zerstört, um Steine für die Polizeistation Qaṣr Ḥassūna – sie liegt im heutigen militärischen Sperrgebiet im Süden der Stadt Siwa – zu gewinnen.[1] Seitdem existiert die westliche Seitenwand nicht mehr. Das noch heute sichtbare Erscheinungsbild wurde erstmals 1898 durch den britischen Geografen Arthur Silva White (1859–1932) fotografisch dokumentiert.[2]

Forschungsgeschichte

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In der Hoffnung, den Orakeltempel zu finden, besuchten der Brite William George Browne (1768–1813) 1792,[3][4] der Deutsche Friedrich Hornemann (1772–1801) als islamischer Kaufmann verkleidet 1798,[5] der Franzose Frédéric Cailliaud (1787–1869) 1819[6] und der Deutsche Heinrich Freiherr von Minutoli (1772–1846) 1820[7] die Senke. Browne wurde am 10. März 1792 in aller Frühe von Einheimischen zu einer Ruine namens Birba (arabisch für Tempel) geführt, die aus einem Raum bestand. An den Wänden gab es in drei Reihen Darstellungen ähnlich einer Prozession und Hieroglyphen. Auch die Decke war dekoriert. Aber einer der sechs Deckenbalken war bereits herabgestürzt und zerbrochen. An einigen Stellen gab es noch Farbreste. Vom Freiherrn von Minutoli gab es die ersten zeichnerischen Überlieferungen. Diese sind bedeutsam, da sie eine recht ausführliche Beschreibung vor der Zerstörung des Tempels darstellen.

Der Ort ist leicht von der Stadt Siwa aus erreichbar. Man folge der Straße im Nordosten des Mīdān es-Sūq, dem Marktplatz von Siwa, in östlicher Richtung vorbei am Siwa Paradise Hotel nach Aghurmi. Im Süden des Burgberges folge man dem westlichen der beiden Wege. Die Ausschilderung ist hier etwas missverständlich.

Die grünen Laternen am Straßenrand nach Aghurmi zeigen an, dass man sich auf dem rechten Weg befindet. Die Straße ist zwar schmal, lässt sich aber auch von einem Transporter oder Pick-up befahren.

Sehenswürdigkeiten

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Amun-Tempel von Umm ʿUbeida

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Darstellung des knienden Wenamun vor Amun-Re
 
Steinblock mit Besucherinschriften

Heute ragt nur noch die östliche Seitenwand des Allerheiligsten (Sanktuars) des 2 Amun-Tempels in den Himmel. Die noch 6,12 m hohe Wand besteht aus 26 teilweise 7 m langen Kalksteinblöcken. Dekoriert ist die Innenseite mit einem erhabenen Flachrelief, das noch Reste farbiger Bemalung in grün und blau zeigt.

Vor dieser Wand liegen noch mehrere Blöcke, die von diesem Tempel stammen, darunter auch ein Deckenblock. Die Besucherinschriften sind natürlich erst neuzeitlich.

Der Oberteil der Wand, eine Reihe mit Geiern mit ausgebreiteten Flügeln, fehlt heute.

Das Relief zeigt eine Reihe von Opferszenen, an denen der Erbauer des Tempels, Wenamun, beteiligt ist. Über den Opferszenen ist noch eine große Inschrift mit 51 Textspalten erhalten. Die religiösen Inschriften beschrieben die Mundöffnungszeremonie für den „Fürstlichen Erbauer des Tempels“, der der „Große der Fremdländer, Wenamun, der selige, der Sohn der Nefret-ronpet“ ist.[8] Dass ein derartiger Text in einem Tempel zu finden ist, ist äußerst ungewöhnlich. Damit ist der Tempel gleichzeitig Wenamuns Grabkapelle!

Das Register (Bildstreifen) unmittelbar darunter zeigt sieben Gottheiten und den knienden Wenamun vor dem im Kiosk sitzenden widderköpfigen Amun-Re und dessen Gemahlin Mut, „das Auge des Re, Herrin des Himmels“. Die sieben heute noch erhaltenen Gottheiten zur Linken sind jeweils abwechselnd Amun-Re und Mut.

Darunter sind acht Gottheiten dargestellt, und zwar von rechts nach links: ein falkenköpfiger Gott, von dem nur noch die Sonnenscheibe erhalten ist, der Schöpfergott Atum mit Doppelkrone, der Luftgott Schu mit Feder, seine Gemahlin, die löwenköpfige Tefnut mit Sonnescheibe, Seth mit Doppelkrone, der Erdgott Geb mit oberägyptischer Krone, seine Gemahlin, die Himmelsgöttin Nut und eine falkenköpfige Gottheit.

Das dritte Register zeigt die Reste von drei Gottheiten, und zwar von links nach rechts: der falkenköpfige Horus mit Doppelkrone – vor ihm standen vormals sicher Amun-Re und seine Gemahlin Mut –, eine löwenköpfige Göttin, die als „Herrin des Himmels“ ausgewiesen ist – denkbar wären z. B. Buto, Mut oder Sachmet – sowie die Kronen- und Schutzgöttin Nechbet mit oberägyptischer Krone. Hinter Nechbet stand der heute verlorene widderköpfige Schöpfergott Chnum.

Quellteiche

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Sonnenquelle

Folgt man dem Weg etwa 900 Meter weiter nach Süden, so erreicht man die so genannte 1 Sonnenquelle , auch Kleopatra-Bad oder besser Kleopatra-Quelle genannt, umgeben von Dattelpalmen. Unter den Einheimischen gibt es verschiedene Bezeichnungen wie ʿAin Kliyūbātrā (عين كليوباترا, „Kleopatra-Quelle“), Ḥamāmāt Kliyūbatrā (حمامات كليوباترا, „Kleopatra-Bäder“), ʿAin esch-Schams (عين الشمس, „die Sonnenquelle“) oder ʿAin el-Hammām (عين الحمام, „Badquelle“).

Die Quelle hat einen Durchmesser von etwa 20 m und soll etwa 6 m tief sein. Bereits der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtete im 5. Jahrhundert v. Chr. über einen ungewöhnlichen Temperaturgang der Quelle: Zur Mittagszeit sei sie am kühlsten, um Mitternacht am heißesten.

„Sie [die Ammonier] haben auch noch anderes Quellwasser, das ist früh Morgens lau, etwas kühler um die Stunde, da der Markt voll wird; es wird Mittag und nun wird es sehr kalt, dann bewässern sie ihre Gärten. Mit abnehmenden Tage läßt die Kälte wieder nach, bis die Sonne untergeht, da wird das Wasser wieder lau. Nun wird es immer heißer und heißer, bis um Mitternacht, da kocht und sprudelt es ordentlich, die Mitternacht geht vorüber und nun kühlt es sich wieder ab bis zum Morgen. Es heißt aber diese Quelle mit Namen die Quelle der Sonne.“[9]

Auch später berichteten andere Geschichtsschreiber Vergleichbares, unter ihnen Diodor im 1. Jahrhundert v. Chr.[10]

Rohlfs stellt 1869 dagegen fest, dass die Wassertemperatur ganztägig konstant 29 °C beträgt. Der von Herodot u. a. geschilderte Temperaturverlauf stellt wohl eine Täuschung aufgrund der wechselnden Außentemperatur dar. Die Quelle besitzt einen relativ geringen Salzgehalt von 0,16 %.[11]

Gelegentlich beobachtet man Männer und Buben beim Bad. Ob aber Kleopatra in dieser Quelle wirklich gebadet hat, ist eher unwahrscheinlich. Selbst die Herkunft des Namens „Kleopatra-Bad“ liegt im Dunkeln. Bei den antiken Historikern ist immer nur von der Sonnenquelle die Rede. Man kommt nicht umhin, das „Kleopatra-Bad“ als Erfindung von Touristikern oder Reisebuch-Autoren anzusehen.

Wenige Meter nördlich der Sonnenquelle befindet sich eine weitere, kleinere Quelle, ʿAin Gūbbā (arabisch: ‏عين جوبا, „Gūbbā-Quelle“). Das Becken hat einen Durchmesser von etwa 3 Metern und ist ungefähr drei Meter tief. Das Wasser dieser Quelle wird über einen Kanal nach Norden weitergeleitet.

In unmittelbarer Nähe zur Sonnenquelle findet man zwei kleine Cafés. Dies sind zum einen der Cleopatra Spring Coffee Shop and Restaurant und das Titos Café. Weitere Restaurants gibt es in der nahe gelegenen Stadt Siwa.

Unterkunft

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Unterkünfte gibt es in der nahe gelegenen Stadt Siwa.

Ausflüge

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Der Besuch des Tempels von Umm Ubeida lässt sich mit dem des Tempels von Aghūrmī verbinden, in dessen Nähe sich auch noch der sog. Tempel D befindet. Man kann zudem den Besuch des Gräberberges Gebel el-Mautā oder des Doppelberges Gebel ed-Dakrūr anfügen.

Literatur

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  • Amun-Tempel von Umm ʿUbeida
    • Minutoli, Heinrich Freiherr von: Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der Libyschen Wüste und nach Ober-Aegypten in den Jahren 1820 und 1821. Berlin: August Rücker, 1824, S. 85–96 (Siwa), S. 96–100 (Tempel), S. 101–162 (Erklärung der Bildwerke), Tafeln VII–X.
    • Steindorff, Georg: Durch die Libysche Wüste zur Amonsoase. Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1904, Land und Leute : Monographien zur Erdkunde ; 19, S. 120–122, Abb. 71 f. (S. 95 f.).
    • Fakhry, Ahmed: Siwa Oasis : its history and antiquities. Cairo: Government Press, 1944, The Egyptian deserts, S. 97–120, Tafeln XX–XXIII.
    • Fakhry, Ahmed: Siwa Oasis. Cairo: The American Univ. in Cairo Pr., 1973, The oases of Egypt ; 1, ISBN 978-977-424-123-9 (Nachdruck), S. 165–172 (in Englisch).
    • Kuhlmann, Klaus P[eter]: Das Ammoneion : Archäologie, Geschichte und Kultpraxis des Orakels von Siwa. Mainz: von Zabern, 1988, Archäologische Veröffentlichungen ; 75, ISBN 978-3-8053-0819-9, S. 37–41, Abb. 14, 15, Tafeln 28–33.
  • Sonnenquelle

Einzelnachweise

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  1. Fakhry, Ahmed, Siwa, 1973, a. a. O., S. 112.
  2. White, Arthur Silva: From Sphinx to Oracle : trough the Libyan desert to the oasis of Jupiter Ammon. London: Hurst and Blackett, 1899, S. 225.
  3. Browne, W[illiam] G[eorge]: Travels in Africa, Egypt, and Syria, from the year 1792 to 1798. London: Candell and Davies, Longman and Rees, 1799, S. 19–21.
  4. Browne, William George: William George Browne’s Reisen in Afrika, Aegypten und Syrien in den Jahren 1792 bis 1798. Leipzig [u.a.], Weimar: Heinsius, Verl. d. Industrie-Comptoirs, 1800, S. 26–28.
  5. Hornemann, Friedrich: Fr. Hornemanns Tagebuch seiner Reise von Cairo nach Murzuck, der Hauptstadt des Königreichs Fessan in Afrika in den Jahren 1797 und 1798. Weimar: Verl. d. Landes-Industrie-Comptoirs, 1802, S. 25–31.
  6. Cailliaud, Frédéric: Voyage a Méroé, au fleuve blanc, au-delà de Fâzoql dans le midi du Royaume de Sennâr, a Syouah et dans cinq autres oasis … Tome I et II. Paris: Imprimerie Royale, 1826, S. 117 ff., 250, Band I; Tafelband II, Tafel XLIII.
  7. Minutoli, Heinrich Freiherr von, Reise zum Tempel des Jupiter Ammon, a. a. O.
  8. Ein ähnlicher Text befindet sich im Königsgrab Sethos’ I. (KV 17), hier ist er aber deutlich umfangreicher. Auch gibt es verschiedene Varianten des Texts. Siehe hierzu Budge, Ernest Alfred Wallis: The Book of Opening the Mouth. London: Kegan Paul, Trench, Trübner, 1909, Books on Egypt and Chaldaea ; 26–27. Zwei Bände.
  9. Friedrich Lange: Die Geschichten des Herodotos ; Theil 1 : Klio. Euterpe. Thalia. Melpomene. Breslau: Josef Max, 1824 (2. Auflage), S. 390–391 (4. Buch, § 181). Diese Übersetzung ist erstmals 1811 erschienen.
  10. Diodorus 〈Siculus〉: Diodor’s von Sicilien historische Bibliothek übersetzt von Julius Friedrich Wurm, Band 13. Stuttgart: Metzler, 1838, S. 1635 (17. Buch, § 50).
  11. Rohlfs, Gerhard: Von Tripolis nach Alexandrien : Beschreibung der im Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preussen in den Jahren 1868 und 1869 ausgeführten Reise; Bd. 2. Bremen: Kühtmann, 1871, S. 128–131.
 
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