Transamazônica

Straßenbauprojekt zwischen Brasilien und Peru
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Transamazônica
BundesstaatParaíba
Einwohnerzahl
Höhe

Die Transamazônica (offizieller Name: BR-230) ist eine von West nach Ost verlaufende Fernstraße in Brasilien, die am Atlantik in Cabedelo (Paraíba) beginnt und derzeit in Lábrea (Amazonien) nach 4342 Kilometern endet.

Hintergrund

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Transamazonica

Entstehungsgeschichte

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Im November 1964 zeigte die Militärregierung unter Humberto Castelo Branco mit dem Landgesetz (portugiesisch: Estatuto da Terra) ihr Interesse, die fehlende wirtschaftliche Entwicklung des Nordostens zu verbessern und eine Agrarreform durchzuführen. Sie schonte jedoch die Großgrundbesitzer (portugiesisch: fazendeiros) und bevorzugte stattdessen die Kolonisierung Amazoniens durch Landlose (portugiesisch: gente sem terra).[1] Der Slogan lautete: „Ein Land ohne Menschen für Menschen ohne Land“ (portugiesisch: uma terra sem gente para gente sem terra).[2] Durch die Fernstraße sollten bisher unerschlossene Regionen erreichbar und besiedelt werden.

Im Juli 1970 veröffentlichte die Regierung ihr „Nationales Integrationsprogramm“ (portugiesisch: Programa de Integração Nacional, PIN) zur Erschließung des Amazonas-Beckens, in welchem damals knapp 4 % der brasilianischen Bevölkerung mit einer Bevölkerungsdichte von gerade einem Einwohner pro Quadratkilometer wohnte.[3] Es handelte sich ausschließlich um indigene Völker wie die Parakanân, für welche die FUNAI im Juli 1971 ein an die Transamazônica grenzendes Indianerreservat errichtete.[4] Das Bauprojekt der Straße sollte sowohl als Leitlinie für die Binnenwanderung aus dem Nordosten dienen[5] als auch den Amazonas als einzigem Transportweg für Personen- und Gütertransporte entlasten. Der Straßenbau stand vor großen Herausforderungen, denn sowohl der tropische Regenwald mit seinen Sumpfgebieten als auch zahlreiche südliche Nebenflüsse des Amazonas waren als natürliche Hindernisse zu überwinden.

Den Entwurf für die „Rodovia Transamazônica“ legte im Juni 1970 der deutschstämmige Ingenieur Walter Alves Reis vor.[6] Er plante eine Streckenlänge von 4.997 km, von der jedoch nur 4.223 km realisiert wurden. Nach einer nur dreimonatigen Planung wurde das Straßenbauprojekt im September 1970 von 500 Ingenieuren, 11000 Arbeitern und zwei Pionierbataillonen mit Unterstützung durch die Luftwaffe begonnen.[7] Am 9. Oktober 1970 legte Präsident Emílio Garrastazu Médici in Altamira den Grundstein für den Streckenabschnitt von Altamira nach Itaituba.[8] Das erste Teilstück von 1254 km zwischen Marabá und Tapajós wurde am 27. September 1972 durch Präsident Médici unasphaltiert dem Verkehr übergeben.[9] Im März 1973 folgte die Übergabe des zweiten Teilstücks zwischen Itaituba und Humaitá. Die Fertigstellung verschlang Baukosten in Höhe von 156 Millionen US$.[10] Die komplette Teilstrecke von Marabà bis Altamira ist seit 1999 asphaltiert.

Regionen

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Die Transamazônica durchquert sieben Bundesstaaten und verläuft durch den halbwüstenartigen Sertão in der Região Nordeste, sie endet im tropischen Regenwald des Amazonasbeckens nahe am Äquator. Dabei berührt sie die Bundesstaaten Paraíba, Ceará, Piauí, Maranhão, Tocantins, Pará und Amazonas. Zunächst folgt sie einer westlichen Richtung, führt durch Paraibas Hauptstadt João Pessoa und Campina Grande; nach Balsas im Bundesstaat Maranhão verdünnt sich das Straßennetz, und die BR-230 folgt nordwestlicher Richtung über Marabá bis Altamira im Bundesstaat Pará, von wo aus sie südlich parallel zum Amazonas verläuft. Es folgt Itaituba, wobei die BR-230 parallel zum Rio Tapajós führt und am Nationalpark Amazônia (portugiesisch: Parque Nacional da Amazônia) entlang führt. Sie durchquert den nördlichen Teil des Indianerreservats Terra Indígena Tenharim Marmelos und erreicht, bereits in Amazonien, Humaitá.

Besonderheiten

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Die Transamazônica ist mittlerweile zwischen Cabedelo und Pacajá zu 45 % der Gesamtstrecke asphaltiert. Diese Strecke ist zweispurig ausgebaut und führt über Betonbrücken bzw. werden größere Flüsse durch Bedarfsfähren überbrückt. Westlich von Pacajá (Pará) beginnt die wetterabhängige, auch in der Trockenzeit mit Allradfahrzeugen schwer befahrbare hügelige und einspurige Naturstraße mit Lateritboden. Mangels Brücken werden große Flüsse wie der Rio Xingu oder Rio Tapajos mit Bedarfsfähren überquert, kleinere Flüsse durch klapprige Holzbrücken. Mit 55 % überwiegt noch der Anteil der Naturstraße. Der einstige Ruf der Transamazônica, einer Höllenfahrt gleichzukommen, stimmt insoweit allerdings nicht mehr.

Streckenverlauf

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Ortschaften

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Karte von Transamazônica

An der Strecke der Transamazônica befinden sich folgende strategischen Ortschaften:

  • 1 Cabedelo . Die auf einer Halbinsel gelegene Stadt (58000 Einwohner) ist der Ausgangsort der Transamazônica.
  • 2 João Pessoa . ist Hauptstadt des Bundesstaates Paraíba (826000 Einwohner) und nur 18 km vom Ausgangsort Cabedelo entfernt, mit dem sie auf der gleichen Halbinsel verbunden ist.
  • 3 Campina Grande . ist mit 420000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Bundesstaat Paraíba.
  • 4 Balsas . liegt mit seinen knapp 100000 Einwohnern im Süden des Bundesstaates Maranhão.
  • 5 Araguatins . befindet sich mit seinen knapp 36000 Einwohnern im Bundesstaat Tocantins.
  • 6 Marabá . (285000 Einwohner) liegt am Rio Tocantins und gehört zum Bundesstaat Pará.
  • 7 Altamira . liegt mit knapp 100000 Einwohnern am Rio Xingu. Westlich von Altamira endet nach 286 km bei Pacaja der asphaltierte Teil der Transamazônica. Es beginnt die auf Lateritboden führende Naturpiste.
  • 8 Itaituba liegt mit seinen knapp 100000 Einwohnern am Rio Tapajós.
  • 9 Humaitá . gehört mit seinen 58000 Einwohnern zum Bundesstaat Amazonas. Westlich von Humaitá kreuzt die nach Manaus verlaufende BR-319.
  • 10 Lábrea . ist vorläufiger Endpunkt der am Rio Purus liegenden Stadt mit 48000 Einwohnern. Weiterführende Straßen gibt es nicht.

Allein zwischen Altamira und Humaitá befinden sich 148 Brücken. In Rurópolis gibt es einen Abzweig nach Norden über die BR-163 parallel zum Rio Tapajós bis zum Amazonas nach Santarém. Nach Humaitá gibt es einen Anschluss an die BR-319[11], bevor sie vorerst in Lábrea endet. Es ist geplant, die BR-230 in Richtung Peru zum Grenzort Benjamin Constant weiterzuführen.

Entfernungen

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Die Entfernungen zwischen einzelnen wesentlichen Ortschaften finden sich in folgender Tabelle, woraus sich beispielsweise zwischen Cabedelo und João Pessoa die kürzeste Entfernung von nur 18 km ergibt:[12]

Ort Bundesstaat Entfernung
(in km)
Cabedelo Paraíba 0000
João Pessoa Paraíba 0018
Campina Grande Paraíba 0129
Balsas Maranhão 1384
Araguatins Tocantins 0419
Marabá Pará 0137
Altamira Pará 0503
Itaituba Pará 0487
Humaitá Amozonien 1048
Lábrea Amozonien 0217
Transamazônica gesamt 4342

Die Entfernungsangaben zwischen den Orten und der Gesamtstrecke variieren in den verschiedenen Quellen teilweise erheblich. Deshalb beträgt die addierte Gesamtstrecke der Tabelle 4.342 km, während die Literaturangaben zwischen 4.075 km und 4.900 km[13] schwanken.

Einbindung in nationales Straßennetz

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Die Transamazônica hat als transversal verlaufende Bundesstraße (portugiesisch: Rodovia Transversais) Straßenkreuzungen mit Fernstraßen in Nord-Süd-Richtung wie die BR-010 (Belém-Brasilia), die BR-163 („Soja-Highway“; Cuiabá-Santarém) oder die BR-319 (Cuiabá-Porto Velho-Manaus-Boa Vista).

Reisen auf der Transamazônica

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Am besten ist die selbst organisierte Reise mit einem (gemieteten) Allradfahrzeug, wobei Erfahrungen mit „Off-road-driving“ erforderlich sind. Preisgünstiger ist jedoch die Fahrt in Linienbussen, die auf Teilstrecken der Transamazônica – aber eben nicht auf der ganzen Strecke – verkehren. Dabei sind teilweise erhebliche Verspätungen und Nachtfahrten zu berücksichtigen.

Weder der Anfangs- noch der Endort verfügen über Flughäfen. Eine Anreise nach Cabedelo kann über das nationale Flugnetz erfolgen, an welches das nahegelegene João Pessoa angeschlossen ist. Eine Rückreise vom Endort Lábrea ist nur durch eine Rückfahrt über die BR-230 möglich.

Sicherheit

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Besonders in den Städten muss der touristische Eigenschutz erhöht werden, da es hier zu Taschendiebstahl und Trickdiebstahl kommt.

Insbesondere der überwiegende Teil der Transamazônica als Naturstrecke kann zu Reifenpannen oder anderen technischen Schäden am Fahrzeug führen, wobei zu bedenken ist, dass Tankstellen und Reparaturwerkstätten in großen Abständen voneinander liegen. Der Schwerlastverkehr hat auf den einspurigen Naturstrecken stets Vorrang, so dass man in den nicht ausgebauten Straßengraben ausweichen muss.

Die preiswerte brasilianische Küche mit Fleisch, Fisch, Reis und Maniok ist wegen der geringen touristischen Frequentierung der Fernstraße vorherrschend.

Unterkunft

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Außer in den Städten gibt es nur sehr einfache Hotels und Motels entlang der Strecke.

Literatur

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  • John Hemming, Tree of Rivers: The Story of the Amazon, Thames and Hudson Limited, 2008; ISBN 978-0500771235
  • Francisco de Assis Costa, Amazonien: Bauern, Märkte und Kapitalakkumulation, Breitenbach-Verlag, 1989, ISBN 978-3881564557.

Einzelnachweise

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  1. Hans-Joachim König, Geschichte Brasiliens, Reclam-Verlag, 2014, S. 246
  2. Birgit Weiler, Mensch und Natur in der Kosmosvision der Aguaruna und Huambisa und in den christlichen Schöpfungsaussagen, Verlag Hopf/Berlin, 2011, S. 53
  3. Martin Schwind/Erich Obst, Allgemeine Staatengeographie VIII, Walter de Gruyter, 1972, S. 181
  4. Catherine Caufield, Der Regenwald: Ein schwindendes Paradies, Fischer, 1987, S. 42
  5. Inge Buisson/Manfred Mols (Hrsg.), Entwicklungsstrategien in Lateinamerika in Vergangenheit und Gegenwart, Ferdinand Schöningh Verlag, 1983, S. 179; ISBN 978-3506740151
  6. Peter Baumann/Erwin Patzelt, Das Amazonas-Dschungelbuch, Safari/Ullstein, 1980, S. 44; ISBN 978-3793410324
  7. Pick-Verlag (Hrsg.), Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, 1975, S. 253
  8. Rettet den Regenwald e. V. (Hrsg.), Regenwald-Report, Ausgabe 2–3, 2004, S. 15 ff.
  9. Superintendência do Desenvolvimento da Amazônia (Hrsg.), A Amazônia é o novo Brasil, 1972, S. 62
  10. Stanley D. Brunn (Hrsg.), Engineering Earth, Volume 1, Springer, 2011, S. 577 f.
  11. von Porto Velho im Süden kommend nach Manaus
  12. In der Tabelle sind lediglich die strategisch wichtigsten Orte an der BR-230 angegeben.
  13. Arthur Tetzlaff-Verlag (Hrsg.), Internationales Verkehrswesen, Bände 31–32, 1979, S. 240
 
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