Stuttgart/Standseilbahn

öffentliches Verkehrsmittel der Stuttgarter Straßenbahnen AG
Stuttgarter Standseilbahn

Hintergrund

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Nostalgie mal schön schräg: die Stuttgarter Standseilbahn

Sie läuft fast wie ein Perpetum Mobile: seit 75 Jahren bringt die Stuttgarter Standseilbahn Anwohner, Wanderer und Trauergäste in drei Minuten vom 1 Südheimer Platz im Stuttgarter Talkessel zum 2 Waldfriedhof. Der "Erbschleicherexpress" wie viele die Bahn belustigt nennen, war bereits in den ersten Tagen eine Rarität und gehört seit 1986 offiziell zu den Stuttgarter Kulturdenkmälern. Dabei kostet eine Fahrt gerade mal soviel wie ein Kurzfahrschein.

Auf rund einem halben Kilometer des Stuttgarter Schienennetzes überwindet die Standseilbahn im 20-Minuten-Takt sowohl 87 Höhenmeter als auch die steilste Strecke mit 28 Prozent Steigung. Auf Tastendruck entschweben die zwei Wagons mit ihren maximal 74 Fahrgästen über die Brücke Burgstallstraße und gleich geht die Fahrt durch ein herrliches Stück Natur, den Degerlocher Wald. Größte Bedeutung hatte die "Lustige-Witwen-Bahn" als es noch keine geteerte Zufahrtsstraße zum Waldfriedhof gab und ganze Trauergesellschaften einstiegen. Einen Waldweg gab es zwar, doch der Einsatz von kleinen Bussen war zu teuer und zu gefährlich. Was also lag näher als den Pendelverkehr mit einer Standseilbahn zu bewältigen. Im Oktober ruckelte die Bahn zum ersten Mal zwischen Heslach und dem Friedhof entlang, an einem einzigen Tag im November 1930 fuhren bereits 6671 Personen mit - eine Zahl die allerdings weder vorher noch nachher erreicht wurde. Längst gibt es eine komfortable Straße zum Friedhof, doch die Stuttgarter und Bahnliebhaber sind froh, dass die Seile der Bahn nicht zum seidenen Faden wurden, an den ihre Existenz gebunden wurde. So findet sich in einem der holzvertäfelten Wagons immer noch die Abstellmöglichkeit für einen Sarg, was aufgrund der stilvollen Mahagonieausstattung allerdings nicht morbide erscheint sondern gemeinsam mit vielen anderen Details den ganz eigenen Charme der Bahn ausmacht. Der schlichte und doch elegante Bauhaus-Stil der Wagons war zwar auch 1929 nicht der neueste Schrei, kam deshalb allerdings auch nie wirklich aus der Mode und ist einer Friedhofsbahn auf jeden Fall angemessen. Heute kommen viele Touristen und Bahnliebhaber für eine Fahrt mit der historischen Bahn nach Stuttgart, genießen das originalgetreue Ambiente sowie die herrliche Umgebung. Standseilbahnen gibt es vor allem im Gebirge - beispielsweise in Davos - und selten in der Großstadt, allein deshalb ist die Bahn eine Rarität. Das Prinzip ist in Stuttgart neuerdings offensichtlich und gleichzeitig denkbar einfach: die beiden Wagen fahren auf Schienen und sind fest mit einem Seil verbunden. Dadurch zieht der talwärts fahrend Wagon praktisch den anderen nach oben, der elektrische Antrieb gleicht lediglich das eventuelle "Übergewicht" der Fahrgäste aus. Die Esslinger Maschinenfabrik baute mit der Stuttgarter Standseilbahn die schnellste und modernste Bahn ihrer Art, gleichzeitig auch die letzte, was die Bahn zusätzlich zu einem technikhistorischen Denkmal macht.

Vergangenheit

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Karte
Karte von Standseilbahn

Eine kleine Panne begleitet die Eröffnungsfahrt: Rüttelschwingungen erschütterten den Antriebsmotor und es dauerte zwei Wochen, bis die Bahn ihren Pendelverkehr mit einem neuen Motor wieder aufnehmen konnte. Dennoch konstatierte die Presse damals, die Bahn gebe "Ein Gefühl der absoluten Sicherheit".

Die Stuttgarter Bahn war gleichzeitig auch die erste automatisch gesteuerte Seilbahn und ist seit ihrer Restaurierung von allen Bahnen die erste, welche technisch der neuen EU-Richtlinie entspricht. Insgesamt zwölf Seilbahnen gibt es im Bundesgebiet, sieben davon in Baden-Württemberg, so in Bad Wildbad, Heidelberg, Künzelsau und Baden-Baden. Die neue Verordnung aus Brüssel war das Hauptargument für die Generalüberholung, denn seit ihrer Inbetriebnahme vor 75 Jahren läuft die Bahn praktisch unfallfrei und benötigt außer einer morgendlichen Inspektion so gut wie keine Wartungen. Lediglich nach dem ersten Weltkrieg setzte der Bahnverkehr wegen Stromausfalls einige Wochen aus, 1999 fielen durch den Sturm Lothar einige Bäume um und beschädigten einen unbesetzten Wagon. Die Oberleitung - früher zur Beleuchtung der Wagen - dient deshalb heute zur Baumfallsicherung: fällt ein Baum auf das Seil, schließt er einen Schwachstromkreis was bewirkt dass die Bahn sofort anhält. Auch in Sachen Brandschutz waren eigentlich keine große Veränderunge nötig. Im Gegensatz zu ihren "Kollegen" aus Kunststoff und Stahl bietet die hölzerne Standseilbahn einen weitaus höheren Flammpunkt und behält noch brennend eine gute Statik. Dennoch pendelte die Bahn im November 2003 vorerst zum letzten Mail, bevor es zum Sandstrahlen und Grundieren in die Hauptwerkstatt der SSB nach Möhringen ging. In Turin kam anschließend die neue Sicherungstechnik dazu.

Motto für alle Sanierungsmaßnahmen an der Bahn, Berg- und Talstation war, die Substanz so original wie möglich zu erhalten und so wurden Bahn und Gebäude mit viel Liebe zum Detail aufgefrischt. Richtig neu ist deshalb einzig der neue Antrieb, für den im Keller der Bergstation ein Anbau ausgehoben werden musste. Das neue Aggregat mit waagrecht gelagerten Antriebsrädern löst die alte Anlage mit senkrecht gelagerten Antriebsrädern ab. Der Keilriemen der alten Maschine ist übrigens noch derselbe wie am ersten Betriebstag. Besucher können den historischen Motor jetzt in der Bergstation durch ein Guckloch im Boden bestaunen.

Die Restauratoren gaben den Wänden der Station ihre eigentliche, grau-weiße Tünchung, selbst die Fahrscheinautomaten - die ältesten in ganz Stuttgart - bekamen ihren außergewöhnlichen Farbton wieder. Nachträgliche bauliche Veränderungen wurden ebenfalls in ihre ursprünglich geplanten Versionen zurückversetzt.Die wichtigsten Neuerungen an der Bahn selbst sind das neue Steuerpult und die Sprechstelle für die Fahrgäste, um Kontakt mit dem Fahrer aufzunehmen. Schließlich erhielt das Zugseil einen Gegenspieler. bewegten sich die Wagen vorher allein durch die Schwerkraft abwärts, sorgt nun eine Umlenkrolle dafür, dass sich beide Wagen nun an einer Art Endlosseil bewegen und vom Antrieb mitgezogen werden. Da die Strecke recht kurvig verläuft, setzt die SSB hier ein schwereres Seil mit 35 mm Stärke ein, damit es sich nicht aus den Rollen heben kann. Die Lebensdauer der nächste Seilwechsel steht dann erst wieder in 15 Jahren an, so lange Drei Millionen Euro berappte die SSB für die Verjüngungskur.

Am 24. Juli 2004 wurde die Bahn mit einem großen Fest wieder eingeweiht. Anlieger traten im Stil der 20er Jahre auf, erinnerten an Alt-Stuttgart und die Anfangszeit des Bahnbetriebs. Die SSB trug sowohl die damaligen Baukosten von 350.000 Mark sowie die Renovierungskosten in Höhe von 3 Mio Euro. Zwei Drittel davon verschlangen Antriebs-, Brems- und Steuerungstechnik. Zwar dachte man immer wieder daran, den Seilbahnverkehr zwischen Talkessel und Waldfriedhof durch Busse zu ersetzen, doch bleibt die Bahn nach allen Berechnungen nicht nur eines der leisesten sondern auch das wirtschaftlichste Verkehrsmittel. Vollständig barrierefrei ist die Anlage aufgrund der Topografie allerdings nicht.

Eine Fahrt mit der Bahn kostet übrigens einen ganz normalen Kurzfahrschein innerhalb der Tarifzone 10. Laut neuem Fahrplan fährt morgens die erste Bahn um 9:10, die letzte Fahrt ist um 17:50 Uhr, im Winter bereits um 17:10 Uhr.

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