Ḥība

Dorf im Gouvernement Beni Suef in Ägypten

El-Hiba, auch el-Hibe, arabisch: ‏الحيبة, al-Ḥība, ist ein Dorf und eine archäologische Stätte in Mittelägypten im Gouvernement Beni Suef auf der Ostseite des Nils. Im Norden des Dorfs befinden sich die Überreste einer ausgedehnten antiken Stadt, die seit dem Neuen Reich existiert, ihres Friedhofs, einer Festung, Teile einer Umfassungsmauer und eines Tempels aus der Zeit Scheschonqs I. und seines Nachfolgers Osorkons I. aus der 22. Dynastie (Libyerzeit). Für diese archäologische Stätte dürften sich vorwiegend Archäologen und Ägyptologen interessieren.

el-Ḥība · الحيبة
GouvernementBeni Suef
Einwohnerzahl16.209 (2006)
Höhe38 m
Lagekarte von Ägypten
Lagekarte von Ägypten
Ḥība

Hintergrund Bearbeiten

Lage Bearbeiten

Das Dorf 1 el-Ḥība und die archäologische Stätte befinden sich auf der Ostseite des Nils unmittelbar am Rand des Fruchtlandsaums, etwa 35 Kilometer südlich von Beni Suef und etwa auf Höhe der Stadt el-Faschn, die sich auf dem Westufer befindet.

Geschichte Bearbeiten

Die archäologische Stätte stellt eines der größten, noch bestehenden altägyptischen Siedlungsgebiete dar, das mindestens seit der 21. Dynastie bis in die griechisch-römische und koptische Zeit genutzt, aber später nicht mehr überbaut wurde. Hauptsächlich wurde Amun-Re, hier vor Ort mit den Beinamen „groß an Gebrüll“ und „Herr des großen Felsens“, als Lokalgott verehrt. Die Siedlung befand sich etwa im Grenzbereich zwischen den Einflussgebieten der Hohepriester des Amun von Theben und der altägyptischen Könige in Tanis.

Die frühesten Funde auf der archäologischen Stätte stammen aus dem Neuen Reich. Hierzu gehören Oberflächenfunde aus Keramik und ein 1890 entdeckter Türsturz, der mit dem Namen Thutmosis’ I. beschriftet ist.[1]

Der altägyptische Name der Siedlung ist nicht gesichert. Es könnte sich zum einen um TꜢj.w-ḏꜢjt, „ihre Mauer“, Variante Teuzoi, der von der hiesigen Ringmauer oder Festung stammt, handeln, zum anderen um Dehenet Weret, Dhnt Wrt, „großer Felsen“, der Bezeichnung des hiesigen Felsplateaus. Gesichert sind hingegen der griechische Name Ἀγκυρῶν πόλις, Ankyronpolis, mit der Bedeutung „Ankerplatz“, sowie die koptischen Bezeichnungen Ⲧⲉⲩϫⲟ, Teudjo, und Ⲧⲟⲩϫⲟⲓ, Toudjoi.[2]

Die archäologische Stätte ist seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt.[3] Die meisten Ausgrabungen fanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt. Dies sind Grabungen des ägyptischen Ägyptologen Ahmed Kamal (1851–1923) und des französischen Ägyptologen Georges Daressy (1864–1938), jeweils im Jahr 1901, gefolgt von den britischen Archäologen Bernard Pyne Grenfell (1869–1926) und Arthur Surridge Hunt (1871–1934) in den Jahren 1902/1903, den deutschen Ägyptologen Hermann Junker (1877–1962) im Jahr 1911[4] bzw. Hermann Ranke (1878–1953) in den Jahren 1913/1914 als auch dem italienischen Archäologen Enrico Paribeni (1911–1993) in den Jahren 1934/1935[5]. Die letzten Grabungen wurden unter Leitung von Robert J. Wenke für das American Research Center in Egypt im Jahr 1980[6] und seit 2001 durch ein Grabungsteam der Universität Berkeley durchgeführt.

Wichtige Funde waren Papyri aus der altägyptischen Dritten Zwischenzeit, aus der 21./22. Dynastie, vom hiesigen Friedhof, Lehmziegel mit den Namen des Königs Pinudjem I., seines Sohns Men-cheper-Re[7], erster Prophet des Amun, sowie dessen Gemahlin und Tochter seines Bruders Psusennes I., Es-em-Chebe/Jst-m-Chebyt, Blöcke mit dem Namen Scheschonqs I. aus dem Tempel des Amun[8] sowie Särge vom hiesigen Friedhof, von denen sich einige heute im Pelizaeus-Museum in Hildesheim befinden. Zu den bedeutsamsten Papyri zählen der „Reisebericht des Wenamun“ (Papyrus Moskau 120), der „Moskauer literarische Brief“ (Papyrus Moskau 127) und das „Onomastikon des Amenope“ (Papyrus Moskau 169).

Die politische Situation in Ägypten nach 2011 führte dazu, dass diese archäologische Stätte im großen Maße geplündert wurde. Auf dem Areal wurden Hunderte Schächte angelegt, um an Antiken heranzukommen, die sich auf dem internationalen Markt verkaufen ließen.[9]

Anreise Bearbeiten

 
Lageplan von el-Ḥība

In Beni Suef überquert man den Nil, um auf die Ostseite und nach etwa neun Kilometern zur Wüstenautobahn 02 gelangen. Nach weiteren etwa 40 Kilometern zweigt man bei 1 28° 46′ 0″ N 30° 56′ 41″ O nach Westen ab, um nach el-Ḥība zu gelangen. Man durchquert das Dorf el-Ḥība in nördlicher Richtung und gelangt dann zur archäologischen Stätte, منطقة آثار الحيبة, die bis an die östliche Straßenseite reicht.

Mobilität Bearbeiten

Die archäologische Stätte kann man nur zu Fuß ergründen.

Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

Die archäologische Stätte steht unter der Obhut der ägyptischen Touristenpolizei. Während Ägypter in Begleitung der Polizei das Areal besichtigen dürfen, benötigen Ausländer eine behördliche Genehmigung der Touristenpolizei in Beni Suef.

  • 1 Amun-Tempel. Zwischen Palmen befindet sich der 36 Meter lange 17 Meter breite Tempel aus der 21. Dynastie, der aus einem Portikus mit acht Säulen, einer Säulenhalle mit acht Säulen, einer Querhalle und dem Sanktuar mit je zwei Kammern zu beiden Seiten besteht. Der Tempel steht heute noch mehrere Blocklagen an. Inschriften nannten als Bauherren Scheschonq I. und Osorkon I. (28° 47′ 7″ N 30° 55′ 16″ O)
  • 1 Festung. Die etwa quadratische Festung mit einer Kantenlänge von etwa 65 Metern wurde in der 21. Dynastie errichtet. (28° 47′ 21″ N 30° 55′ 20″ O)
  • antike Stadt
  • 2 Umfassungsmauer (28° 47′ 20″ N 30° 55′ 15″ O)
  • Felsgräbernekropole

Küche Bearbeiten

Restaurants findet man in Beni Suef.

Unterkunft Bearbeiten

Unterkünfte findet man in Beni Suef.

Gesundheit Bearbeiten

Krankenhäuser und Apotheken gibt es in Beni Suef.

Ausflüge Bearbeiten

Die Besichtigung von el-Ḥība lässt sich mit der des sehenswerten Dorfs 3 Deir el-Ḥadīd, Gebel en-Nūr, Schārūna oder es-Sirīrīya verbinden.

Literatur Bearbeiten

  • Nachschlagewerke
    • Graefe, Erhart: el Hibe. In: Helck, Wolfgang ; Westendorf, Wolfhart (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie ; Bd. 2: Erntefest - Hordjedef. Wiesbaden: Harrassowitz, 1977, ISBN 978-3-447-01876-0, Sp. 1180–1181.
    • Porter, Bertha ; Moss, Rosalind L. B.: Lower and Middle Egypt : (Delta and Cairo to Asyûṭ). In: Topographical bibliography of ancient Egyptian hieroglyphic texts, statues, reliefs, and paintings; Bd. 4. Oxford: Griffith Inst., Ashmolean Museum, 1934, ISBN 978-0-900416-82-8, S. 124 f; PDF.
  • Papyri
    • Grenfell, Bernard P. ; Hunt, Arthur S.: The Hibeh papyri ; Pt. 1. London: Egypt Exploration Fund, Graeco-Roman Branch, 1906.
    • Turner, E. G.: The Hibeh papyri ; Pt. 2. London: Egypt Exploration Society, 1955, Graeco-Roman memoirs : GRM ; 32.
    • Habermann, Wolfgang (Hrsg.): Die badischen Grabungen in Qarâra und el-Hibeh 1913 und 1914 : wissenschaftsgeschichtliche und papyrologische Beiträge (P. Heid. X). Heidelberg: Winter, 2014, Veröffentlichungen aus der Heidelberger Papyrus-Sammlung ; N.F., 14, ISBN 978-3-8253-6288-1.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Der Türsturz befindet sich heute im Ägyptischen Museum Kairo. Siehe auch: Grébaut, E[ugène]: Le Musée Égyptien : Recueil de monuments et de notices sur les fouilles d’Égypte; Bd. 1. Le Caire: Impr. de l’Inst. franç. d’archéol. orient., 1890–1900, S. 26, Tafel XXIX [oben].
  2. Spiegelberg, Wilhelm: Briefe der 21. Dynastie aus El-Hibe. In: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde (ZÄS), ISSN 0044-216X, Bd. 53 (1917), S. 1–30, insbesondere S. 1–5, 7 Tafeln, doi:10.1524/zaes.1917.53.1.1.
  3. Z. B. Wilkinson, John Gardner: Modern Egypt and Thebes : being a description of Egypt ; including the information required for travellers in that country; Bd. 2. London: Murray, 1843, S. 21 f.
  4. Junker, Hermann: Die Versuchsgrabungen in El-Hibeh und bei El-Faschn. In: Anzeiger / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse (AnzAWW), ISSN 0257-4489, Bd. 49 (1912), S. 98–101.
  5. Paribeni, Enrico: Rapporto preliminare su gli scavi di Hibeh. In: Aegyptus : rivista italiana di egittologia e di papirologia, ISSN 0001-9046, Bd. 15 (1935), S. 385–404.
  6. Wenke, Robert J.: Archeological investigations at El-Hibeh 1980 : preliminary report. Malibu: Undena Publications, 1984, American Research Center in Egypt Reports ; 9, ISBN 978-0-89003-154-4.
  7. Kitchen, K[enneth] A.: The third intermediate period in Egypt : (1100 - 650 B.C.). Warminster: Aris & Phillips, 1996, ISBN 978-0-85668-298-8, S. 269–271, §§ 226 f.
  8. Feucht, Erika: Zwei Reliefs Scheschonqs I. aus el-Hibeh. In: Studien zur altägyptischen Kultur (SAK), ISSN 0340-2215, Bd. 6 (1978), S. 69–77, zwei Tafeln.Feucht, Erika: Relief Scheschonqs I. beim Erschlagen der Feinde aus El-Hibe. In: Studien zur altägyptischen Kultur (SAK), ISSN 0340-2215, Bd. 9 (1981), S. 105–117, eine Tafel.
  9. Siehe z. B. die Facebook-Gruppe Save El Hibeh Egypt.
 
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