Atlantiküberquerung

Begriff der Überquerung des Atlantik nach oder von Amerika
Der Atlantik ... und Segelrouten

Eine Atlantiküberquerung mit einer Segeljacht ist meist eine Überführung zwischen dem Mittelmeer und der Karibik. Aspekte dazu werden nachfolgend dargestellt.

Die Routen sind in den meisten Fällen von den herrschenden Windsystemen bestimmt. Die schwachwindigen Rossbreiten liegen im Mittelatlantik etwa zwischen 15°N und 25°N. Südlich davon trifft man auf den nach SW wehenden NO-Passat. Nördlich der Rossbreiten gelangt man in die nach Osten wehende Westdrift.

Westwärts: Gibraltar > Karibik

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Kapverden: Mindelo, Porto Grande, Sao Vicente
 
Barbados

Fixpunkte für alle Passagen dürften die Kanaren (Las Palmas auf Gran Canaria) als vorgeschobener Startpunkt und die Karibik als Ziel sein. Dazwischen sind die Kapverden (z. B. Mindelo auf Sao Vicente) eine Option.

Entfernungen:

  • Gibraltar > Las Palmas 710 sm
  • Las Palmas > Barbados 2.670 sm
  • Las Palmas > Mindelo 870 sm
  • Mindelo > Barbados 2.030 sm

Ostwärts: Karibik > Gibraltar

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Blick von Horta auf Faial nach Pico

Fixpunkte für die meisten Passagen sind die Karibik (z. B: Puerto Rico oder Antigua) oder Florida (Ft. Lauderdale, Miami) oder Bahamas als Startpunkt. Die meisten Jachten laufen auf dem Weg ostwärts die Azoren (Horta auf Faial) an. Dazwischen ist Bermuda eine Option, die auch die Mehrzahl der Schiffe wählt.

Entfernungen:

  • Antigua > Horta 2.160 sm
  • Antigua > Bermuda 940 sm
  • Ft. Lauderdale > Bermuda 900 sm
  • Bermuda > Horta 1.800 sm
  • Horta > Gibraltar 1130 sm

Das Timing ist in den meisten Fällen von klimatischen und – bei Charterjachten – wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt. Die wesentlichen Vorgaben insoweit sind der Winter in Europa und die Hurrikan-Saison (Juni bis Oktober) in der Karibik

Westwärts

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Ab Oktober wird es im Mittelmeer und Europa allmählich ungemütlich, so dass im Oktober und vor allem November der Weg nach Südwesten beginnt. Häufig wird im Laufe des Novembers der erste Sprung zu den Kanaren genommen, um dann von dort aus in die Karibik zu segeln und dort im Dezember anzukommen. In der Karibik wird oft Barbados als erster Hafen angesteuert.

Schon der Schlag Gibraltar > Kanarischen Inseln ist nicht marginal und kann nicht „eben schnell“ genommen werden. Und schon vorher im Mittelmeer ist man bis Gibraltar mehr oder minder viele Tage unterwegs.

Zunehmend öfter wird auf den Kapverden ein Stopover eingelegt. Wegen des längeren Wegs und der Liegezeiten kostet das etwa eine Woche.

Wenn man für Gibraltar > Kanaren > Barbados ohne Kapverden insgesamt sechs Wochen rechnet, ist das für herkömmliche Fahrtenjachten mit wenig Luft kalkuliert.

Ostwärts

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Ende April oder Anfang Mai beginnt der Rückweg ostwärts nach Europa.

Wenn man für Antigua > Bermuda > Azoren > Gibraltar sieben Wochen rechnet, ist das für herkömmliche Fahrtenjachten mit wenig Luft kalkuliert.

Nautisches

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Windsystem im Atlantik
 
Sextant
 
Start der ARC 2014 in Las Palmas

Westwärts

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Oft findet man schon ab Gibraltar Vorboten des Passats, eher aus N, so dass man Chancen hat, gute Bedingungen für die Passage zu den Kanaren zu finden.

Je weiter nach Süden man gelangt, desto stetiger wird der NO-Passat. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass er 100%-ig da ist. Es gab auch Saisons mit sehr unsteten Winden.

Ostwärts

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Die Winde für die Überführung ostwärts sind problematischer. Legt man von der Karibik aus direkt auf die Azoren an, segelt man in den Passat hinein und weiter im Norden schräg schneidend durch die schwachwindigen Rossbreiten und das Azorenhoch.

Wenn man Bermuda ansteuert, kann man anfänglich Halbwind- oder sogar Raumschotskurse haben und passiert die Rossbreiten auf kurzem Weg. Ab Bermuda kann man sich leicht nach Norden halten, um vielleicht in die Westdrift zu gelangen und den Rossbreiten und dem Azorenhoch möglichst auszuweichen.

Auf der Ostpassage kann man auf tagelange schwache Winde treffen. Man muss sich überlegen, wie man das handhaben will (Motor <--> Dieselvorrat) und wie sich das auf das Timing auswirkt.

Insgesamt

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Rein seglerisch und statistisch betrachtet kann eine Atlantikpassage eher langdauernde Routine als chices Abenteuer sein, da Abwechslungen fehlen. Westwärts wird man statistisch betrachtet viel raumschots auf Backbordbug segeln. Ostwärts kann man auf schwachwindige Regionen treffen, die den Motor erfordern.

Der Verkehr auf dem offenen Wasser ist gering, aber vorhanden. Man kann nicht sagen, dass man „zwei Wochen niemanden“ sieht. Deshalb muss durchaus Ausschau gehalten werden. Tags ist dies in der Regel auch kein Problem. Wenn nachts keine Nachtwache gehalten wird, ist das Gambling mit einem gewissen Risiko.

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Mit der heutigen Technik ist Navigation ein geringes Problem. Man sollte aber mehrfach redundant ausgestattet sein, auch was die Stromversorgung angeht.

Sextant wäre zu überlegen, wenn man einschlägige Kenntnisse hat, auch wenn es nur die grundlegenden Techniken (Mittagsbreite, Schiffsmittag > Länge) sind.

Autopilot

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Eine wichtige Frage ist, ob das Schiff einen funktionierenden Autopilot (oder Windsteueranlage) hat. Wenn nicht, erfordert die Ruderwache signifikant „man power“

Nach Westen gibt es als Event die ARC (Atlantik Rally for Cruisers)[1].

Die Empirie zeigt, dass die Crew fast das größte Problem ist. Anfängliche Begeisterung weicht manchmal schnell und noch vor Reiseantritt Bedenken, Befürchtungen und zwiespältigen Gefühlen und dann unklarem Verhalten. Es ist schwieriger, die West-Ost-Passage besetzt zu bekommen als die Ost-West-Passage.

"No shows"

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Leute – auch Skipper – sagen in der Planung einer Atlantiküberquerung zu, damit sie ein Bein in der Tür haben, aber treten kurz vor knapp aus unterschiedlichen Gründen doch nicht an (Zeitmanagement, kalte Füße, Laune, Lebensgefährt/in, "was dazwischengekommen", ...). Wird es eine Lawine? (Wenn Klaus nicht will, dann will Susi auch nicht, und ohne Klaus und Susi trauen sich Heinz und Helga nicht). Je nach Zahl und Funktion kann das kritisch werden.

Gruppendynamik unterwegs

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Unterwegs kann man feststellen, dass Effekte wie falsche Erwartungen, Enttäuschung, das „Eingesperrtsein“, Langeweile, Streit, Männlein/Weiblein und einiges mehr eine Rolle spielen. Man sollte klären, warum Leute mitmachen wollen: Ist es Freude am Segeln, Prestige, Angeberei daheim, das vermeintliche Abenteuer, Flucht, wegen anderer Leute, ..., und wie viel davon tragfähige Motivationen und erfüllbare Erwartungen sind. Insoweit sollte man vorab versuchen, die Leute richtig einzustellen, damit sie wissen, was auf sie zukommt.

Die Passagen können als langweilig empfunden werden, weil es kaum Abwechslung gibt und die Segelei nach ein paar Tagen mit der vorher chicen Einbildung nicht mehr zusammenpasst.

Je nach Gemüt und Temperament der Leute vertragen sie sich besser oder schlechter. Es gibt Fleißige und Faule, Alphatiere und Duckmäuser, Freigeister, Teamworker, Individualisten, Dünnhäuter und Dickfellige, Großzügige und Kleinkarierte, Pfauen und graue Mäuse und hunderterlei Spielarten von Charakteren und "mind sets". Das ist nicht überraschend, sondern Alltagserfahrung. Ungewöhnlich ist nur, dass eine Auswahl von Menschen für zwei oder drei oder mehr Wochen auf engem Raum beieinander ist, ohne „gehen“ zu können. Es gibt Leute, die damit Schwierigkeiten haben. Wenn die Verträglichkeit schlecht ist, kann es bei Zwischenstops zu Ausstiegen kommen. Es ist schon vorgekommen, dass ein Schiff auf dem Weg in die Karibik es nur bis Gibraltar geschafft hat, weil eine in Südfrankreich hastig zusammengewürfelte Crew sich zerstritt und in Gibraltar großteils verflüchtigte und ein jämmerlicher Rest sich nicht mehr nach Gran Canaria traute. Und andersherum betrachtet wird man niemanden los, wenn kein Land in der Nähe ist.

Will man FKK, topless haben oder nicht? Es gibt gschamige Leute und zeigefreudige.

Die Geschlechterproblematik kann zuschlagen. Es soll hier keinesfalls gesagt werden, dass eine Crew nur mit Männern oder nur mit Frauen unproblematischer als gemischte Crews sei. Aber das Geschlechterverhältnis kann zu Problemen führen: Balzverhalten, Eifersucht, enttäuschte Hoffnungen, Missverständnisse, Übergriffe ... Man muss sich bewusst sein, dass man die Leute eine Zeitlang nicht auseinander kriegt.

Auf vielen Schiffen sind in der ein oder anderen Form Waffen an Bord: Signalpistole, Harpune, richtige Waffen. Es gibt auch Leute, die darüber nachdenken.

Kompetenzen

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Das A und O ist zum geringeren Teil, seglerische "hot shots" zusammenzustellen, sondern viel eher

  • Crewmitglieder zu haben, die die nötigen Fähigkeiten mitbringen, als da wären
    • Teamfähigkeit: Das sollten eigentlich alle mitbringen, wenn die Reise entspannt stattfinden soll. Es umfasst Rücksichtnahme, Arbeitswilligkeit, Nachsicht ... Problematisch sind Sozial-Autisten und Häuptlinge auf der Suche nach Indianern.
    • Lernfähigkeit: Viel zu lernen gibt's nicht. Aber das, was kommt, sollte man sich aneignen, sei es Nautisches oder kochen, putzen, ... "Das kann ich nicht" sollte man nur im Notfall sagen.
    • Segeln: Nicht jeder muss ein Crack sein, auch Neulinge können mitmachen. Aber mindestens eine gewisse Anstelligkeit sollte natürlich gegeben sein.
  • einen Skipper zu haben, der nicht nur nautisch fähig ist, sondern auch menschlich akzeptiert wird.

Eine Crew muss nicht 100%-ig mit seglerischen Kompetenzen besetzt werden. Die nötige nautische Kompetenz muss natürlich ausreichend und redundant vorhanden sein. Aber wenn man drei Leute hat, die sich auskennen, kann das schon eine hinreichende Besetzung sein.

Disziplin

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Es ist tagein, tagaus nicht viel zu tun. Aber einiges kommt doch regelmäßig: Kochen, Spülen, putzen, Körperpflege, Kleidung, nautischer Dienst, Nachtwachen, Schiffspflege. Man sollte klären, wie das geht.

Die Erfahrung zeigt, dass bei „Freiwilligkeit“ immer dieselben die Macher und immer dieselben die Abseiler sind, was wahrscheinlich zu Ärger führt. Insofern sind Dienstpläne vorzuziehen. Wenn es einen Koch gibt, kann man sich überlegen, ob der Sonderstatus hat.

Gesundheitszustand

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Man solte vorab abfragen, wer welche Wehwehchen, Notwendigkeiten und Einschränkungen hat, damit sich unterwegs keine Überraschungen einstellen. Das kann vorrangig die Physis betreffen, aber letztlich auch die Psyche.

Um nicht Sardinen in der Büchse zu haben, sollte man tendenziell eher wenig Leute auf dem Schiff haben. Eine wichtige Frage ist, ob das Schiff einen zuverlässigen Autopilot hat. Wenn nicht, muss das Ruder 24/7 besetzt werden. Angesichts der Tatsache, dass auch Einhandsegelei funktioniert, kann man sich durchaus mit vier oder weniger Leuten auf die Reise machen.

Beschäftigung

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Man sollte sich vorab überlegen, wie man sich drei Wochen beschäftigen kann.

Sonstige Logistik

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Die Standard-Logistik zu Verpflegung, Ausrüstung, Reisekasse, Kosten, Schiffszustand etc. wird hier nicht angesprochen.

Planungspriorisierung

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Wenn man eine Atlantiküberquerung oder einen Rundtrip plant, dann könnte man meinen, dass die Nautik das dominierende Thema ist. Aber das ist eigentlich nicht der Fall, denn die Segelei an sich ist ja dieselbe, ob ich um Mallorca oder über den Atlantik segele. Im Gegenteil: Auf dem Atlantik ist manches einfacher: Strömungen sind nicht akut interessant, Untiefen existieren nicht, der Verkehr ist gering.

Erfahrungen zeigen, dass die Themen ungefähr in der folgenden Priorisierung auftragen:

  1. Die Crew: Wer wann wie warum mit wem. Vorbereitung, Einstellung, Zuverlässigkeiten, "hard skills", "soft skills", Verträglichkeiten, Realismus, Teamfähigkeit.
  2. "Offshore-Sonderlogistik": Westwärts kann man drei oder mehr Wochen unterwegs sein: Zu Gesundheit, Nahrung, Schiffszustand und Menschen lebt man von dem, was man anfangs mitgenommen hat, und man wird niemanden los, den/die man dabei hat. Was anfänglich fehlt, kriegt man unterwegs höchstwahrscheinlich nicht. Wie beschäftigt man sich drei Wochen?
  3. Nautische Vorbereitung: ...

Am Ende muss natürlich alles gemacht sein. die Nautik ist aber fast das kleinste Problem, soweit natürlich das Schiff richtig ausgestattet ist.

Man muss sich bewusst sein, dass alle Etappen Teil einer Kaskade sind: Wenn eine nicht klappt, kollabiert vielleicht alles, was danach vorgesehen war, gerade dann, wenn die Taktung eng war. Schon Verspätungen können zu massiven Problemen führen: Urlaube reichen nicht mehr aus, gebuchte Flüge kommen ins Rutschen etc.. Wenn man die Rückführung nach Europa nicht organisiert kriegt, bleibt das Schiff im Sommer womöglich in Hurrikan-Gebieten.

Vor Reiseantritt sollte man sich je nach Gesundheitszustand beraten lassen. Konkrete Erfahrungen zeigen, dass akute Zahnschmerzen und Nieren- oder Gallensteine sehr lästig werden können. Man sollte insoweit rechtzeitig Vorsorge treffen, um ggf. auch noch Abhilfen veranlassen zu können. Für Reiseapotheken gibt es einschlägige Hinweise.

Kosten Anreise/Abreise

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Die An- und Abreisekosten sind beachtlich, da sie teilweise nicht in die relativ günstigen Chartertarife fallen, sondern (heimwärts) one-way Linie gebucht werden müssen. Teilnehmer sollten sich vorher erkundigen, was da auf sie zu kommt.

Der Spritverbrauch kann insbesondere auf dem Rückweg nach Europa erheblich sein. Im Azorenhoch kann viele Tage lang Flaute herrschen. Rechnet man 4 Liter Diesel pro Stunde, sind das 100 Liter pro Tag. Rechnen: Kann man mit dem Vorrat tagelang schieben oder muss man dümpeln?

Versorgung

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Trinken, Essen

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Man darf nicht auf's Fischefangen und Regenwassersammeln vertrauen, denn das klappt schlecht. Man muss beim Start ausreichend mitnehmen. Wenn ein Watermaker an Bord ist, muss es trotzdem einen Notfallplan geben, falls der ausfällt.

Segeln per Anhalter

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Es gibt immer wieder Schiffe mit Crewsorgen. Insoweit sind die Chancen nicht schlecht, an den "Hot Spots" wie Gran Canaria, Puerto Rico, Ft. Lauderdale oder Antigua zur passenden Zeit einen Platz, etwa auf der Basis "Hand gegen Koje" oder gegen irgendein Geld, zu finden. Köche sind beliebt. Es treiben sich aber durchaus auch viele Leute herum, die Kojen suchen.

Wenn man ein potenziell interessantes Schiff gefunden hat, sollte man es sich mitsamt der Leute darauf sorgfältig anschauen, die Planungen abfragen und überprüfen und auch wechselseitig Dokumentationen dazu anlegen und hinterlassen. Das wechselseitige Überprüfen von Ausweisen, Fotografieren etc. sollte nicht als Misstrauen angesehen, sondern unterstützt werden. Ein Probeschlag ist angeraten, um wechselseitig sehen zu können, mit wem und was man es zu tun hat.

Teilweise findet unterwegs (z. B. auf den Azoren) wirklich ein munteres „Bäumchen wechsle dich“ statt. Meistens geht das auch einigermaßen gut. Man soll es aber nicht naiv angehen. Es gibt auch negative Vorkommnisse.[2]

Einzelnachweise

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Dies ist ein brauchbarer Artikel. Es gibt noch einige Stellen, an denen Informationen fehlen. Wenn du etwas zu ergänzen hast, sei mutig und ergänze sie.