Kinder als Touristenattraktion

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An manchen Reisezielen sieht man Kinder als eine Art Touristenattraktion. Kinder treten öffentlich auf, verkaufen Waren an der Straße oder betteln, oder sie leben in einem Waisenheim, das man besuchen kann. Oft handelt es sich um Ausbeutung.

Wer als Tourist die Ausbeutung von Kindern nicht fördern will, sollte sich immer wieder fragen, was da eigentlich passiert und ob er es auch in Ordnung fände, wenn seine eigenen Kinder so behandelt werden. Diese Seite spricht einige Themen an mitsamt Checklisten zum eigenen Verhalten.

Allgemeines Bearbeiten

Idealerweise wachsen Kinder bei ihren Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten auf, die sich um sie kümmern. Die Kinder gehen zur Schule und lernen etwas, das später ihre Chancen im Leben verbessert. Sie werden nicht ausgebeutet, weder emotionell noch wirtschaftlich oder gar sexuell. Ihre Kinderrechte werden geschützt.

Leider ist die Situation vieler Kinder, gerade in armen Ländern, nicht so ideal. Das führt oft zu einem Dilemma: Als Außenstehender, als reicher Tourist möchte man arme Länder, die man besucht, nicht unbedingt kritisieren. Man kennt die Umstände im Land nicht genau. Und wenn man ein Produkt boykottiert, das durch Kinderarbeit hergestellt wurde, dann ist das noch keine Garantie, dass die betreffenden Kinder stattdessen eine Schule besuchen können.

Trotzdem ist es wichtig, sich zu fragen, ob und wie das eigene Handeln Einfluss auf die Verhältnisse hat. Wer einem bettelnden Kind etwas Geld gibt, der hat das Gefühl, dem Kind zu helfen. Allerdings sehen dadurch die Leute, die das Kind zum Betteln schicken, dass Kinder sehr geeignet sind, Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Leute haben folglich ein Motiv, die das Kind weiterhin betteln zu lassen. Dabei ist das Betteln für das Kind eine erniedrigende Tätigkeit, die es für den Rest seines Lebens prägt.

Wer Kindern in armen Ländern wirklich helfen will, der kann Geld spenden – und zwar an vertrauenswürdige Organisationen, die sich im Land auskennen.[1] Man sollte auch nicht etwa spontan spenden, sondern sich gut über solche Organisationen informieren.

Öffentliches Auftreten und Fotografie Bearbeiten

Manchmal sieht man Kinder auf einem öffentlichen Platz, die Tänze oder Musikstücke aufführen. Das ist weltweit nicht so ungewöhnlich, man denke daran, wie in reichen Ländern Kinder im Kinderchor oder im Heimatverein angemeldet sind und ab und zu auftreten, auch öffentlich.

Doch auch bei solchen Auftritten besteht die Gefahr, dass die Kinder wirtschaftlich und emotionell ausgebeutet werden. Ob die Kinder unter starkem Druck stehen, erkennt man vielleicht an ihrem Verhalten in den Pausen oder daran, wie sie von betreuenden Erwachsenen behandelt werden. Auch die Art und Weise, wie Geld von Schaulustigen eingesammelt wird, kann Hinweise geben. Hier sollte man sich als Tourist abermals fragen, welchen Einfluss das eigene Handeln hat. Vielleicht kommt man zum Schluss, dass man weder zuschauen, noch Geld geben, noch fotografieren möchte.

Weltweit ist es keine leichte Frage, ob man jemanden in der Öffentlichkeit, auf der Straßen, einfach so fotografieren darf. Grundsätzlich muss man eine Person um Erlaubnis fragen, bevor man sie fotografiert. Allerdings gibt es von dieser Regeln einige Ausnahmen: Vielleicht ist die Person auf dem Bild nur Beiwerk und nicht die zentrale Bildaussage. Wer einen belebten Platz insgesamt fotografieren will, muss nicht erst die Menschen dort um Erlaubnis bitten. Anders sieht das aus, wenn man genau auf einen Menschen draufhält, zum Beispiel auf die Marktfrau, die gerade ihre Ware hochhält.

Wenn es um Kinder geht, sollte man als Tourist besonders zurückhaltend sein. Kinder, die am Straßenrand Essen oder Souvenirs verkaufen, haben sich diesen Job nicht ausgesucht, und als Tourist sollte man sich nicht mit einem Bildjournalisten vergleichen, der mit seiner Kamera Missstände wie Kinderarbeit aufdeckt und daher entsprechende Fotos eher mit seinem Gewissen vereinbaren mag.

Natürlich kann man die Erlaubnis von Erziehungsberechtigten erfragen, wenn man ein Foto von einem Kind machen will. Doch auch hier besteht die Gefahr der Ausbeutung, wenn Erwachsene ein Kind hübsch anziehen und niedlich zurechtmachen – Touristen zuliebe.

Das heißt nicht, dass niemals und unter keinen Umständen ein Tourist ein Foto von einem fremden Kind machen darf. Wer fotografieren möchte, stellt sich aber vielleicht folgende Fragen:

  • Wäre das Foto in meinem eigenen Land auch in Ordnung, juristisch und moralisch gesehen?
  • Fände ich es akzeptabel, wenn fremde Menschen mein Kind unter ähnlichen Umständen fotografieren würden?
  • Gibt es in der betreffenden Kultur besondere Gründe, die gegen ein Fotografieren sprechen?
  • Kann das Kind selbst frei mitentscheiden, ob es fotografiert wird?
  • Was können die Folgen für das Kind sein? Wird es in einer problematischen Situation gezeigt? In welchem Kontext wird das Bild veröffentlicht?
  • Erhält jemand Geld oder einen anderen Vorteil? Könnte es in die Richtung von Kinderarbeit gehen?

Kinder in Waisenheimen Bearbeiten

Manche Reiseveranstalter bieten Besuche in Kinderheimen oder Waisenheimen an. Dort übergeben die Touristen den Kindern „Geschenke“ und verbringen Zeit mit ihnen. Die Kinder „bedanken“ sich zum Beispiel mit Volkstänzen. Die Touristen meinen, eine gute Tat geleistet zu haben. In Wirklichkeit fügen sie den Kindern großen Schaden zu.

Kinder, gerade solche, die ihre Eltern verloren haben, brauchen unbedingt einen sicheren und geschützten Ort, an dem sie wohnen und leben. Wildfremde Menschen, nämlich die Touristen, dringen aber in diesen Ort ein und begaffen die Kinder wie Zootiere. Den Kindern wird befohlen, freundlich zu den Touristen zu sein und eine große Nähe zuzulassen. Die Kinder wachsen also in einer Atmosphäre großer Unsicherheit auf.

Außerdem sind die Kinder in solchen Heimen nicht unbedingt Waisenkinder: Viele haben durchaus Eltern. Für diese ist es aber lohnender, wenn die Kinder nicht in der Familie, sondern in einem Heim aufwachsen, das von Touristen aus reichen Ländern besucht wird. Hält man die Kinder im Heim unter offensichtlich schlechten Lebensumständen, dann steigert man die Spenden-Bereitschaft der Touristen um so mehr.[2]

Manche Veranstalter bieten sogenannten Voluntourismus an: Junge Menschen aus reichen Ländern zahlen viel Geld dafür, in einem Kinderheim in einem armen Land ein Praktikum zu leisten. Mehrere Monate „arbeiten“ sie dort als „Betreuer“, bevor sie das Land wieder verlassen.

Diese jungen Menschen sprechen ihre Motive für so ein Praktikum nicht selten offen aus: Sie glauben, eine gute Tat zu leisten und erwarten Dankbarkeit von den Kindern. Das Praktikum soll sich gut im Lebenslauf machen, und die Zeit verbringt man in einem touristisch interessanten Land. Die Arbeitszeit ist nicht unbedingt streng geregelt und lässt viel Freizeit zu.

Zuweilen wird diesen jungen Menschen der Vorwurf gemacht, dass sie wie white saviours auftreten, die durch ihre bloße Anwesenheit schwarzen Menschen in armen Ländern etwas Gutes tun. Instagram-Fotos dieser Menschen, die stolz Waisenkinder auf dem Arm halten, unterstützen den Verdacht.

Zu bedenken ist bei solchen Angeboten:

  • In reichen Ländern des Globalen Nordens gibt es derartige Praktika nicht. Wer Kinder betreuen will, braucht dafür zum Beispiel eine geeignete Ausbildung, die den Voluntouristen aber nicht abverlangt wird.
  • Kinder brauchen möglichst dauerhafte Betreuungspersonen, die nicht nach ein paar Monaten oder einem Jahr wieder gehen.
  • Wer nicht einmal die Landessprache beherrscht, kann sich kaum sinnvoll einbringen.
  • Wird nicht einmal der Hintergrund der Voluntouristen (wie das polizeiliche Führungszeugnis) gecheckt, dann sollten erst recht die Alarmglocken angehen.
  • Die Angebote kosten sehr viel Geld, das in erster Linie bei den Organisatoren in den reichen Ländern landet. Wer armen Menschen wirklich helfen will, sollte stattdessen besser einen hübschen Urlaub ohne Waisenkinder buchen und hat dann immer noch einen Batzen Geld übrig, das er eigentlichen Hilfsorganisationen spenden kann.

Siehe auch Bearbeiten

Belege Bearbeiten

  1. Lisa Duschek: [https://www.hopeforthefuture.at/de/geben-oder-nicht-geben-die-kinderbettler-im-senegal/ Geben oder nicht geben? Die Kinderbettler im Senegal], in: hopeforthefuture.at, 2023-02-14, zuletzt gesehen 2024-03-09.
  2. Katja Dombrowski: [https://www.dandc.eu/de/article/touristen-und-freiwillige-unterstuetzen-ausbeutung-von-kindern Waisenhaustourismus in der Kritik], in: dandc.eu, 2015-03-17, zuletzt gesehen 2024-03-09.